Wer vom Land mit dem Auto in eine Metropole kommt hat es schwer.
Bürger aus Winsen/Luhe beispielsweise werden wegen des WL-Schildes in Hamburg als WILDER LANDWIRT verspottet. Besucher aus Ostprignitz/Ruppin (OPR) gelten in Berlin als „OMA PARKT RÜCKWÄRTS“ , Fahrer aus dem bayerischen Schwandorf (SAD) in München als „SAU AUF DURCHREISE“.
Doch der Spott könnte in wenigen Jahren ein Ende haben, denn Behörden des Bundes und der Länder werkeln an einer grundlegenden Reform von KFZ-Zulassung und -Kennzeichen.
Im extremsten Fall könnte die lokale Buchstabenfolge am Anfang des Nummernschildes völlig wegfallen oder zur freiwilligen Option werden. Eine mildere Reformversion sieht vor, dass jeder KFZ-Halter sein Kennzeichen bei Umzügen bundesweit mitnehmen darf, wie schon jetzt Handynummern.
Hintergrund der Pläne ist die Umstellung der deutschen KFZ-Zulassung auf den Online-Betrieb. Spätestens im Jahr 2013 soll die Fahrt zur Zulassungsstelle überflüssig werden. Die An- und Abmeldung erledigt der Bürger vom heimischen PC oder per Handy, das Nummernschild käme mit der Post. Das jedenfalls ist das Ziel des Hamburger Staatsrates Detlef Gottschalk, der dieses Projekt zur Zeit im Auftrag der Bundesregierung und der Länder voran treibt.
Wir wollen möglichst bald eine Online-gestützte An-, Um- und Abmeldung von Kraftfahrzeugen ermöglichen sagte Gottschalk. In 2 Jahren soll das erste Pilotprojekt starten.
Bisher gibt es in Deutschland 499 Zulassungsstellen. Wohl jeder Autokäufer kennt den Ärger dort: Wartezeiten, oft raue Umgangsformen, lange Anfahrten. Wer in dünn besiedelten Gebieten wohnt, verbringt schnell einen ganzen Tag mit der Anmeldung oder Ummeldung seines Autos.
Jedes Jahr werden eine Milliarde Kilometer verfahren, um die Autos von und zu den Zulassungsstellen zu bewegen, das sind 250000 Tonnen unnötig produziertes CO2 .
Vorbild ist die Regelung in Schweden. Dort gibt es ein nationales Autoregister; die Wagen werden von den Bürgern in dem dünn besiedelten Gebiet online an- oder umgemeldet. Die Plakette bekommt der Schwede per Post: Sie ist nur für ein bestimmtes Kennzeichen gültig. Betrugsversuche werden so unmöglich. Wenn jemand umzieht, wird bei der Adressummeldung das Auto gleich mit umgemeldet - in Deutschland noch zwei mühsame getrennte Prozeduren.
Denn in Deutschland regiert noch die Kleinstaaterei, ein Erbe aus der Geschichte der Motorisierung: Als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Autos aufkamen, wurden örtliche Register der Wagen auf Karteikarten angelegt und Kennzeichen ausgegeben. Bis heute liegt die KFZ-Zuständigkeit bei den Kommunen oder Landkreisen, die bundesweit geschätzte 8000 bis 12000 Mitarbeiter damit beschäftigen. Die Onlinezulassung würde Personal für andere Aufgaben frei machen.
Es gibt zwar schon ein zentrales Computerregister aller Autos beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg, aber jeder Landkreis, jede Stadt wacht weiter über ihr örtliches Register. Deshalb kommt der größte Widerstand gegen die Umstellung auf das Internet aus den KFZ-Verwaltungen. Das Projekt soll mit dem Hinweis gestoppt werden, es laufe doch alles gut, warum etwas ändern?
Wir wollen es dem Bürger aber leichter machen sagt Gottschalk. Und er hat mächtige Unterstützer. Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten nahmen das KFZ-Projekt in die nationale „Deutschland-Online“ -Agenda auf.
Wie vermeiden, dass jemand per Internet etwa das Auto von jemand anderem anmeldet?
Hier hofft die Hamburger Arbeitsgruppe auf Hilfe von Innenminister Schäuble: Sein Ministerium arbeitet an einem elektronischen Personalausweis „mit Signaturfunktion“ , wie die Fachleute sagen. Ein Computerchip mit einer Geheimnummer wie bei der EC-Karte könnte Sicherheit schaffen.
Quelle: Rheinpfalz 10.10.2007