Weder Steigung noch Gefälle auf der Messstrecke
Je nach Temperament haben sich viele Menschen schon gewundert oder geärgert. Ihr neues Auto mit einem fabelhaften Normverbrauch überschreitet diesen Wert an der Zapfsäule bis zu 2 Liter, obwohl sie sich eines ganz normalen, möglichenweise sogar zurückhaltenden Fahrstils befleissigt haben.
Nehmen wir als Beispiel einen Peugeot 207 1.6 HDI, dessen Normverbrauch mit 4,8 Litern Diesel pro 100km angegeben wird. Im Alltagsbetrieb ermittelten wir an der Zapfsäule 6,2 Liter - nicht astronomisch hoch, aber doch ein Unterschied von fast anderthalb Litern.
Ebenso ernüchternd fällt der Vergleich zwischen Theorie und Praxis bei einem Blick auf den Co2-Ausstoß aus. Wenn ein Liter Diesel verbrannt wird, werden 2,63 Kilogramm Kohlendioxid in die Luft geblasen. Ein Verbrauch von 4,8 Litern führt also zu 126 Gramm Co2 pro kilometer. Wer nachrechnen möchte: 2,63kg mal 4,8 ergibt 12,6kg auf 100km. Die Zahl 126 klingt fabelhaft - liegt sie doch unter dem allgemein angepeilten Grenzwert von 130.
Wer indes den Co2-Ausstoß aus den in der Praxis gemessenen 6,2 Litern Dieselkraftstoff errechnet, der kommt auf 169 Gramm pro Kilometer - und schwupps ist das gute Gewissen zur Rettung des irdischen Klimas dahin.
Fahrzyklen entscheiden
Die Lösung dieses Wiederspruches ist einfach, das Geheimnis verbirgt sich in den Fahrzyklen, die den Normmessungen zugrunde liegen. Rudolf Thom, seit Jahren bei Daimler zuständig für Messungen und Einstufungen von PKWs, erklärt, dass die entsprechenden Normen ursprünglich nicht dem Verbrauch dienten, sondern der Ermittlung der Abgaswerte. Lange Jahre hatte man einen Drittelmix nach DIN ( Deutsche IndustrieNorm ) aus Stadtverkehr und konstanter Fahrt mit Tempo 90 und 120 zurückgelegt. Weil dieser Zyklus mit dem wirklichen Leben wenig zu tun hatte - es fehlten vorallem die Beschleunigungsphasen -, wird seit 1996 nach dem Neuen europäischen Fahrzyklus ( NEFZ ) gemessen, der eine Fahrtstrecke von 11 Kilometern auf dem Prüfstand simuliert. Zwei Drittel der Strecke bestehen aus Stadtverkehr, wobei je vier Mal aus dem Stand bis 15km/h, 30km/h und 50km/h beschleunigt und dazwischen zwölf Mal auf Tempo 0 heruntergebremst wird. Im ausserörtlichen Fahrprogramm geht es ohne Halt auf Tempo 70 , es folgt eine Verzögerungsphase zurück auf 50km/h und eine weitere Beschleunigung auf 120km/h. Nach 20 Minuten ist der Messversuch beendet.
Ein Drittel in der Stadt
Zweifellos hat dieses Verfahren einen Mangel der alten DIN-Norm beseitigt, kommt aber immer noch längst nicht an die Wirklichkeit auf unseren Strassen heran. Die sagt nämlich nach zuverlässigen Statistiken aus, dass ein Drittel unseres Verkehrs in der Stadt stattfindet und zwar mit einer mittleren Geschwindigkeit von 34km/h. Ein weiteres Drittel geht über Landstrassen mit Tempo 77, das letzte Drittel gilt den Autobahnen, wo im Durchschnitt 118km/h gefahren werden.
Im neuen europäischen Fahrzyklus beträgt die mittlere Geschwindigkeit nur 33,6km/h, liegt also noch unter dem echten Wert im Stadtverkehr. Der Bereich von 101 bis 120km/h wird nur mit 3% der Messstrecke berücksichtigt. Gar nicht in den Test eingegangen ist die Tatsache, dass in Deutschland nicht alle Strassen topfeben verlaufen: Steigungen sieht der Fahrzyklus ebenso wenig vor wie Gefälle.
Den Normwert im Strassenverkehr zu erreichen - das ist ein Ziel, das sich vielleicht mit ganz bewusstem vorrausschauendem Fahren in möglichst hohen Gängen erreichen lässt. So etwas kann man bei sogenannten Ecotrainingskursen lernen. Der halbe Tag und das Geld dafür sind gut angelegt, denn anschliessende Verbrauchsminderungen bis zu einem Drittel sind keine Seltenheit.
Quelle: Rheinpfalz 19.9.2007